Der Schlesische Weberaufstand von 1844

Zum Gedicht Die schlesischen Weber

Rolf Hosfeld, ein Heine-Kenner und Biograph, schreibt über den Weberaufstand von 1844 und Heines lyrische Reaktion darauf:

„Am 4. Juni hatten dreitausend Weber im schlesischen Peterswaldau, als ihre Forderungen nach Erhöhung der Löhne von dem ortsansässigen Arbeitgeber spöttisch abgelehnt wurden, dessen Haus gestürmt, Rechnungsbücher und Wertpapiere zerrissen und die Maschinen zerschlagen. Diese erste große Hungerrevolte wurde in Berlin als ein Angriff auf die Fundamente des Staates wahrgenommen und am 6. Juni durch das Militär rücksichtslos niedergeschlagen. Vier Kartätschen [Geschütze, mit kleinkalibrigen Geschossen] und mobile Kavallerie kamen dabei zum Einsatz. Unter den Webern hatte es elf Tote gegeben, auch Frauen und Kinder, fast hundert wurden verhaftet. […]
In Heines Gedicht spricht das deutsche Schicksal zum ersten Mal für sich selbst und nicht gebrochen durch den satirischen oder ironischen Blick des Beobachters […]: Gott hat die Weber nicht erhört, der König der Reichen hat sie wie Hunde erschießen lassen, und das falsche Vaterland hat sie verraten. Jetzt werden Gott, König und Vaterland von der Unerbittlichkeit des Schicksals heimgesucht.
Heine positioniert sich mit den Webern politisch gewissermaßen zwischen Marx und Ruge, in dessen Augen der Aufstand eine ausschließlich lokale Bedeutung ohne nennenswerte politische Folgewirkungen darstellte. Für Marx dagegen zeigte sich in den schlesischen Ereignissen exemplarisch der Beginn einer kolossalen, alles Bisherige in den Schatten stellenden sozialen Bewegung, und er attestierte den Webern, stellvertretend für das deutsche Proletariat, „riesenhafte Kinderschuhe“, mit denen es Europa bald durch seine politische Reife in Erstaunen versetzen werde. Heine sah das eher nüchtern […]. Das alte Deutschland war zum ersten Mal von einem tiefen Riss heimgesucht worden, und das konnte nicht ohne Folgen bleiben. Dazu hat sein in Tausenden von Flugblättern vervielfältigtes Gedicht nicht unerheblich beigetragen.“ (Hosfeld, 2014, 383-385)


Eine Anonyme Karikatur zum Weberaufstand auf Flugblättern 1848

zeitgenössische Karikatur zum Weberaufstand


Die schlesischen Weber - erschienen 1844 im Pariser Wochenblatt Vorwärts und in Zeitgedichte

Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
»Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
Und uns wie Hunde erschießen läßt –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt –
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht –
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!