Schiller/Schubert – Die Bürgschaft

Schiller an Humboldt:
„Und am Ende sind wir ja doch beide Idealisten und würden uns schämen uns nachsagen zu lassen, dass die Dinge uns formten und nicht wir die Dinge.“

Alle Menschen werden Brüder
Dionysios war einer der mächtigsten Tyrannen der Antike. Offiziell war Sizilien als griechischer Territorialstaat zwar eine Demokratie, aber mit Hilfe von Sondervollmachten, einer überproportionalen Leibgarde und nach einem Staatsstreich regierte Dionysios vielmehr monarchisch als Alleinherrscher über die Mittelmeerinsel.
Schillers Ballade beginnt mit einem vereitelten Attentat von Möros auf den Tyrannen. Dionys verurteilt Möros zum Tode, gewährt ihm aber auf dessen Bitten drei Tage Zeit um seine Schwester zu vermählen. Während dieser drei Tage bürgt ein Freund mit seinem Leben für Möros‘ Rückkehr. Auf dessen Rückweg treten unerwartete Hindernisse auf: ein Unwetter erschwert die Überquerung eines Flusses, eine Horde Räuber droht ihn zu überfallen und schließlich raubt ihm die sengende Sonne die letzte Kraft. Dennoch kommt er gerade noch rechtzeitig, bevor sein Freund, bereits am Richtplatz, an seiner statt hingerichtet wird. Dionys ist von dieser Treue so gerührt, sein tyrannisches Herz erweicht, er gewährt Gnade und bittet darum, in diesen Bund der Freundschaft aufgenommen zu werden.

Es scheint Schiller nicht um eine realistische Darstellung dieser Handlung zu gehen, umso mehr aber um eine Idealisierung von Werten wie Freundschaft, Treue und Menschlichkeit. Nicht nur Dionys erlebt eine Katharsis vom Tyrannen zum mitfühlenden Menschen, sondern das ganze gaffende Volk ist vom Erstaunen ergriffen, welche Taten die Verbundenheit zwischen Möros und seinem Freund und hervorbringt. Die französische Nationalversammlung verlieh Schiller 1792 für seine Verdienste um die Freiheit und Humanität die Ehrenbürgerschaft. Als dieser aber 1798 „Die Bürgschaft“ schrieb, sah er mit der Jakobinischen Schreckensherrschaft die Französische Revolution als gescheitert an. In Schillers Ballade wird das Attentat auf den Tyrannen, also der eigentliche und gescheiterte revolutionäre Akt, nur mit wenigen Worten erzählt. Möros wehrt sich auch nicht gegen seine Verurteilung und bezeichnet seine Tat selbst als frevelndes Streben. Am Ende wird die Stadt Syrakus dennoch vom Tyrannen befreit, allerdings nicht durch ein gewalttätiges Attentat, sondern durch das ideelle Handeln und bedingungslose Eintreten für die Treue der beiden Freunde, das Dionys so beeindruckt, dass sich der Gewaltherrscher zum empathischen Menschen wandelt.