Heine und Napoleon

Heine wuchs als Jugendlicher in Düsseldorf mitten in einem epochalen Umbruch auf. 1806 wurde das Heilige römische Reich deutscher Nation nach fast tausend Jahren aufgelöst und Düsseldorf trat in dem Rheinbund unter französische Herrschaft. Die französische Gesetzgebung mit dem Code civil oder auch Code Napoleon genannt, der unter anderem ständeunabhängige Gleichheit vor dem Gesetz garantierte, stellte die gesamte bestehende soziale Hierarchie radikal in Frage. Obwohl Napoleon deutsche Gebiete besetzte, stand Frankreich für Freiheit und Gleichheit. Der pompös inszenierte Einzug Napoleons in Düsseldorf 1811 bleibt nicht ohne Eindruck auf Heine – ebenso wenig allerdings der Anblick einer durchreisenden geschlagenen, kläglichen und verstümmelten französischen Armee drei Jahre später, also nach dem Russlandfeldzug und der verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig.
In seiner Studienzeit in Bonn engagierte sich Heine auch in den Burschenschaften, die nach nationaler Einheit strebten und auf dem Wartburgfest den Sieg über Napoleon feierten. Auch in diesem Umfeld blieb Heine vom Mythos und der historischen Figur Napoleon fasziniert und schrieb in Bewunderung für Napoleon - zeitgleich zu, oder kurz vor seiner Zeit in den Burschenschaften - die Romanze Die beiden Grenadiere. Einige Jahre später differenziert er seine Haltung zu dem französischen Feldherrn und erklärt:

„Ich bitte dich, lieber Leser, halte mich nicht für einen unbedingten Bonapartisten; meine Huldigung gilt nicht den Handlungen, sondern nur dem Genius des Mannes. Unbedingt liebe ich ihn nur bis zum achtzehnten Brumaire [als er sich mit einem Staatsstreich zum Alleinherrscher machte] – da verriet er die Freiheit. Und er tat es nicht aus Notwendigkeit, sondern aus geheimer Vorliebe für Aristokratismus. Napoleon Bonaparte war ein Aristokrat, ein adeliger Feind der bürgerlichen Gleichheit“. (Heine, 1827, Reisebilder - Reise von München nach Genua, Kapitel 24)


Dazu Robert Schumann - Die beiden Grenadiere:


Christian Gottfried Heinrich Geißler, ein Leipziger Illustrator und Stadtchronist erstellte 1813 den Kupferstich:

Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland im Jahre 1813

Anfang 1812 zog Napoleon mit seiner über 600 000 Mann zählenden Grande Armée in den Russlandfeldzug. Ein knappes Jahr später kehrte er lediglich mit 30 000 Soldaten zurück nach Leipzig. Diese von Krieg, Krankheit und einem harten russischen Winter gepeinigte Gestalten sind hier von Geißler dargestellt.
Im Oktober 1813 leitete die Völkerschlacht bei Leipzig Napoleons endültige Niederlage ein und kostete insgesamt rund 100 000 Menschenleben.
So - oder so ähnlich - kann man sich die beiden von Heine beschriebenen Grenadiere vorstellen.

Trümmer der frz. Armee