Kurtag/Hödlerlin – Im Walde

Friedrich Hölderlin - Im Walde

Aber in Hütten wohnet der Mensch, und hüllet
sich ein ins verschämte Gewand, denn inniger
ist achtsamer auch und daß er bewahre den Geist,
wie die Priesterin die himmlische Flamme,
dies ist sein Verstand.
Und darum ist die Willkür ihm und höhere Macht
zu fehlen und zu vollbringen dem Götterähnlichen,
der Güter gefährlichstes, die Sprache dem Menschen
gegeben, damit er schaffend, zerstörend, und
untergehend, und wiederkehrend zur ewiglebenden,
zur Meisterin und Mutter, damit er zeuge, was
er sei geerbet zu haben, gelernt von ihr, ihr
Göttlichstes, die allerhaltende Liebe.


Hölderlins Text

In einer Selbstreflexion, die sich als Anrede an ein „edles Wild“ im Walde richtet, wird erörtert was den Menschen auszeichnet und was ihn von dem Wild unterscheidet. „Geist“, „Verstand“ und „Sprache“ machen den Menschen zum „Götterähnlichen“. Er wird zum Schöpfer, aber auch zum Zerstörer, ausgestattet mit Willkür und der „höheren Macht zu fehlen“. Diese, auch gefährlichen, Güter sind dem Menschen aber gegeben um ein Zeugnis für „die allerhaltende Liebe“ zu geben, für das Göttlichste, was die Natur zu bieten hat.

Kurtags Musik

Dieses Lied stammt aus Kurtags Hölderlin-Gesängen. Kurtag stellt sich in den Dienst des Textes. Seine Melodieführung ist stets deklamatorisch, dem natürlichen Sprachduktus folgend. Weiter gewinnt durch Kurtags Motivik die Musik an rhetorischen Momenten. So fällt die charakteristische kleine Sexte a-f bei den Wörtern „die Sprache“ auf. Wie sehr das Schaffen („damit er schaffend, zerstörend“) den kreativen Menschen Mühe kostet, wird durch das chromatische Aufspreizen des Rahmenintervalls verdeutlicht. Die Phrase bricht ab, wenn bei dem Wort „zerstörend“ ein schmerzvoller Tritonus erreicht wird. Auch Hölderlins Antithese „und untergehend, und wiederkehrend“ erfährt durch die abfallende und wieder emporsteigende Linie eine musikalische Entsprechung.